Ausgabe nummer 31.2 Sonstiges Wissenschaft
veröffentlicht 14/10/2021
Geschrieben von Annette van der Lee
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Der atopische Hund ist ein häufiger Patient in erstbehandelnden tierärztlichen Praxen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über Behandlungsmöglichkeiten und betont die Notwendigkeit einer multimodalen Herangehensweise.
Kernaussagen
Canine atopische Dermatitis ist eine häufige chronische Erkrankung, die eine Beeinträchtigung der Lebensqualität vieler Hunde und ihrer Besitzer zur Folge hat.
Die verschiedenen Faktoren mit Einfluss auf die Juckreizschwelle sollten simultan in Angriff genommen werden, um eine erfolgreiche Behandlung zu erreichen, insbesondere bei Flare-ups.
Die symptomatische immunsuppressive Behandlung und die allergenspezifische Immuntherapie sind zwei Verfahren, die beide eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der caninen atopischen Dermatitis spielen und simultan angewendet werden können.
Die Behandlung sollte immer individueller Natur sein und an Flare-ups, die Saisonalität und die allgemeine Gesundheit des Patienten angepasst werden.
Einleitung
Bei der caninen atopischen Dermatitis (CAD) handelt es sich um eine häufige allergische Hauterkrankung, die sich vorwiegend auf der Grundlage von Umweltallergenen wie Hausstaubmilben oder Pollen von Gräsern, Bäumen oder Unkraut entwickelt. Die Ätiologie gilt als multifaktoriell, wobei eine Dysfunktion der epidermalen Barriere, kombiniert mit einer Dysregulation des Immunsystems zur Entwicklung der klinischen Erkrankung bei Hunden mit vermutetem genetischen Hintergrund führt. In den meisten Fällen beginnt das klinische Problem bereits in einem jungen Alter, letztlich verursacht die Erkrankung aber Beschwerden aufgrund von Dermatitis und Juckreiz über das gesamte Leben betroffener Patienten.
Verschiedene Therapien für CAD wurden entwickelt, und jede Behandlungsoption hat ihre spezifischen Pros und Contras bezüglich Wirksamkeit und Einfluss auf die Gesundheit des Patienten. Dieser Artikel zeigt eine logische Herangehensweise an die oftmals entmutigende Frage: „Wo fangen wir an?“. Die Herausforderung für den Tierarzt besteht nicht nur darin, den Patienten insgesamt erfolgreich zu behandeln, sondern auch in der Verhinderung der Entstehung hochgradiger Flare-ups. Aus diesen Gründen verlangt die Behandlung der CAD ein vielseitiges und sehr facettenreiches therapeutisches Management (Abbildung 1). Eine erfolgreiche Remission der Erkrankung ist nur dann erreichbar, wenn eine wirksame Kombination verschiedener Strategien zur Kontrolle der klinischen Symptome und zur Verhinderung von Flare-ups zum Einsatz kommt. Die im einzelnen Fall am besten geeigneten therapeutischen Optionen hängen von den individuellen Bedürfnissen des Patienten ab und vom Schweregrad der Erkrankung im Zeitverlauf.
Vermeidung von Allergenen
Da es sich bei den häufigsten ursächlichen Allergenen um Glykoproteine von Hausstaubmilben und Aeroallergene wie Pollen handelt, ist eine strikte Vermeidung von Allergenkontakten in der Regel sehr schwierig bis unmöglich. Eine unkontrollierte Studie, in der ein akarizides Benzylbenzoat-Umweltspray eingesetzt wurde in einem Versuch, die Menge an Staubmilbenallergenen zu reduzieren, beschreibt eine gewisse klinische Besserung bei atopischen Hunden 1. Gegenwärtig für Menschen vermarktete Umweltsprays enthalten Probiotika, die Enzyme für die Isolierung fäkaler Proteine von Hausstaubmilben produzieren. Zweifellos sind weitere kontrollierte Studien erforderlich, um die mögliche Korrelation zwischen klinischer Besserung bei atopischen Hunden und der Reduzierung von Hausstaubmilbenallergenen mit Hilfe solcher Sprays zu klären. Wahrscheinlich können auch die Anwendung hausstaubmilbenfreier Matratzen, regelmäßiges Staubsaugen und das Waschen von Decken bei 60 °C dafür sorgen, dass die Exposition der Haut von Hunden gegenüber Hausstaubmilbenallergenen reduziert wird.
Selten kann ein atopischer Hund auch auf Epithelien anderer im Haushalt lebender Tiere reagieren (z. B. Papagei oder Meerschweinchen). In diesen Fällen ist es ratsam, entweder das ursächliche Tier oder den betroffenen Patienten in einen anderen Haushalt umzuplatzieren.
Im Falle einer futtermittelinduzierten atopischen Dermatitis spielen sowohl Futtermittelallergene als auch Umweltallergene eine kausale Rolle 2. Futtermittelallergene können insbesondere bei Auftreten von Flare-ups eine signifikante Rolle spielen. Deshalb ist bei atopischen Hunden die Bestimmung der Rolle der Nahrung auf dem Wege einer Eliminationsdiät mit anschließendem Provokationstest immer eine zentral wichtige diagnostische Maßnahme. Im Falle eines positiven Ergebnisses ist die weitere Exposition gegenüber den kausalen Futtermittelallergenen oft relativ einfach zu verhindern, indem man diese aus der Nahrung des Patienten verbannt.
Reparatur der Hautbarriere
Es ist gut bekannt, dass atopische Hunde unter einer funktionellen Beeinträchtigung der epidermalen Barriere leiden, die zu erhöhten transepidermalen Wasserverlusten (Transepidermal Water Loss = TEWL) führt. Bei einigen Rassen kann in diesen Fällen eine trockene und schuppige Haut (Xerosis) festzustellen sein. Die Unterstützung der epidermalen Barriere mit topischen Präparaten, die feuchtigkeitsspendende Wirkstoffe enthalten („Moisturizers“), wie zum Beispiel Glycerol, Glycerin, Propylenglycol, Panthenol und Harnstoff, führt zu einer Erhöhung der Wasserbindungskapazität der Epidermis, insbesondere bei Anwendung nach dem Baden des Patienten. Demonstriert wurde dieser Zusammenhang erst jüngst in einem Modell einer chronisch gestörten epidermalen Barriere beim Hund 3. Produkte mit Phytosphingosin oder Ophytrium, einem natürlichen Extrakt aus der Wurzel des Japanischen Schlangenbarts (Ophiopogon japonicus), können ebenfalls helfen, die Hautbarriere zu verbessern, Juckreiz zu lindern und die mikrobielle Besiedelung der Epidermis zu reduzieren 4.
Atopische Hunde weisen darüber hinaus strukturell veränderte interzelluläre Lipidlamellen im Stratum corneum auf. Zur Wiederherstellung der physiologischen Struktur dieser Lamellen werden orale essenzielle Fettsäuren (EFAs) mit unterschiedlichen Ergebnissen eingesetzt, entweder als diätetische Supplemente (Ergänzungsfuttermittel) oder als integrale Inhaltsstoffe entsprechender Nahrungen. Von besonderem Interesse in diesem Zusammenhang ist eine Studie guter Qualität, die eine signifikante Reduzierung der erforderlichen Prednisolondosierung bei atopischen Hunden zeigen konnte, wenn orale EFAs über einen Zeitraum von 12 Wochen verabreicht werden 5. Alternativ kann ein vollwertiges Alleinfuttermittel mit spezifischen Inhaltsstoffen für die Unterstützung der Hautbarriere angeboten werden. Topische EFAs in einer Spot-on-Darreichungsform haben sich ebenfalls als wirksam erwiesen 6, wenngleich diese Option weniger kosteneffizient sein kann, wenn eine Langzeitapplikation erforderlich ist. Weitere bei Patienten mit CAD häufig eingesetzte topische Darreichungsformen sind Schampoos, Sprays und Lotionen, die Fettsäuren und Ceramide enthalten. Obwohl es bezüglich der tatsächlichen Wirksamkeit dieser Produkte einige Unklarheiten gibt, sollten Tierärzte letztlich immer daran denken, dass eine Wiederherstellung der Hautbarriere generell mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Reduzierung des Eindringens von Umweltallergenen in die Haut führt.
Kontrolle sekundärer Hautinfektionen
Die meisten atopischen Hunde neigen zu rezidivierender oberflächlicher Pyodermie, und häufig beobachtet man bei diesen Patienten typische Effloreszenzen wie Papeln, Pusteln, Collarettes, Schuppen und eine Seborrhoe (Abbildung 2). Im Vergleich zu gesunder Haut ist atopische Haut in höherem Maße mit pathogenen Staphylokokken (meist S. pseudintermedius) besiedelt, eine Beobachtung, die zum Teil mit einer niedrigeren Aktivität kutaner antimikrobieller Peptide des angeborenen Immunsystems erklärt werden kann. Während Flare-ups entwickelt sich eine Dysbiose der Mikrobiota in der atopischen Haut, die mit einem relativen Anstieg der Staphylokokkenpopulation einhergeht. Im Verlauf einer wirksamen antimikrobiellen Therapie und mit zunehmender Remission der Effloreszenzen bildet sich diese Dysbiose jedoch wieder zurück 7.
Etwa 40 % der atopischen Hunde entwickeln rezidivierende Hautinfektionen durch die Hefe Malassezia pachydermatis, häufig einhergehend mit einem auffälligen üblen Geruch, schmierig-fettigen Schuppen, honigartigen Krusten und einer Paronychie mit brauner Verfärbung der Krallen (Abbildung 3). Darüber hinaus kann eine Überempfindlichkeit vom Typ I gegen Malassezia spp. auftreten und zu hochgradigem Juckreiz führen 8. Sekundäre Hautinfektionen durch Bakterien und/oder Hefen müssen daher konsequent mit Hilfe regelmäßiger topischer antimikrobieller Behandlungen (Shampoos, Schäume, Sprays, Tücher und Gels) bekämpft werden. Untersuchungen zufolge ist eine Behandlung mit 3 %-igem Chlorhexidin-Shampoo klinisch ebenso wirksam gegen Bakterien und Hefen wie die Behandlung mit einer Kombination aus 2 %-iger Chlorhexidinlösung und Miconazol 9. Zweimaliges wöchentliches Waschen ist im Allgemeinen wirksam, je nach Schweregrad der Infektion muss die topische Behandlung initial jedoch unter Umständen auch etwas häufiger durchgeführt werden. In diesen Fällen empfiehlt die Autorin tägliches Waschen des Patienten über eine Woche, gefolgt von Waschen an jedem zweiten Tag über eine weitere Woche und schließlich zweimal pro Woche. Ebenso gut wirksam scheinen Behandlungsprotokolle mit zweimal wöchentlicher Applikation eines Schaumes, eines Gels oder eines Sprays auf die Effloreszenzen, zusätzlich zu einer wöchentlichen Behandlung mit einem Shampoo.
Systemische Antibiotika sollten nur in der Anfangsphase verabreicht werden, wenn eine tiefe Pyodermie (z. B. mit Furunkulose – Abbildung 4) oder eine stark generalisierte Pyodermie besteht oder wenn der Besitzer nicht in der Lage ist, eine regelmäßige topische Behandlung durchzuführen. Die Wahl des geeigneten Antibiotikums erfolgt entweder auf Basis der Ergebnisse einer Kultur mit Empfindlichkeitstest oder nach den grundlegenden Prinzipien der empirischen antibiotischen Therapie. Hautwirksame Antibiotika sind Clindamycin (10 mg/kg alle 12 Stunden), Cephalosporine (Cephalexin 10-30 mg/kg alle 8-12 Stunden) oder Amoxicillin / Clavulansäure (12,5 mg/kg alle 12 Stunden). Die Behandlung wird immer so lange durchgeführt, bis die klinischen Symptome vollständig zurückgegangen sind und die zytologischen Befunde wieder im physiologischen Bereich liegen. Wiederholte Behandlungen mit Antibiotika sollten aufgrund des Risikos antibiotischer Resistenzen generell vermieden werden. Orale Behandlungen mit Ketoconazol (10 mg/kg alle 24 Stunden oder 5 mg/kg alle 12 Stunden) oder Itraconazol (5 mg/kg alle 24 Std.) gegen Hefen sollten ebenfalls nur ausnahmsweise in sehr hochgradigen Fällen durchgeführt werden, da Hefen (wenn auch selten) Resistenzen gegenüber Azolderivaten entwickeln können 10. Zu berücksichtigen ist dabei zudem, dass bei der Anwendung von Antimykotika (insbesondere mit Ketoconazol) zahlreiche Arzneimittelwechselwirkungen auftreten können.
Die Herausforderung besteht nicht nur darin, den Patienten erfolgreich zu behandeln, sondern auch in der Verhinderung hochgradiger Flare-ups. Aus diesen Gründen verlangt die Behandlung der CAD ein sehr facettenreiches Management.
Annette van der Lee
Bekämpfung von Hautentzündung und Juckreiz
Gute Evidenzen für eine wirksame Linderung von Juckreiz und Dermatitis bei Patienten mit CAD gibt es für symptomatische Therapien mit Glukokortikosteroiden, Cyclosporin, Oclacitinib und Lokivetmab, die im Folgenden im Einzelnen diskutiert werden. Zu beachten ist, dass eine präventive Flohbehandlung in jedem Fall von essenzieller Bedeutung ist, um die Juckreizschwelle beim Patienten zu senken. Schlüssige Evidenzen für eine Wirksamkeit oraler Typ-I-Antihistaminika bei der Behandlung aktiver oder chronischer CAD-Läsionen gibt es dagegen nicht 11. Falls Antihistaminika dennoch als erforderlich eingeschätzt werden, sind die besten Optionen Ceterizin (0,5-1,0 mg/kg alle 24 Stunden) oder Hydroxyzin (2 mg/kg alle 12 Stunden) 12.
Glukokortikosteroide
Glukokortikosteroide (GKS) wirken über eine Interferenz mit multiplen ubiquitären Transkriptionsfaktoren, die zu einer Repression von Genen führt, welche für Zytokine, Zytokinrezeptoren, Adhäsionsmoleküle, proinflammatorische Enzyme und chemotaktische Proteine kodieren. Auf diese Weise deaktivieren GKS zahlreiche Entzündungszellen, reduzieren Juckreiz und können aufgrund ihrer schnell einsetzenden Wirkung sowohl für die rasche Induzierung einer Remission akuter Symptome eingesetzt werden als auch für die Langzeitkontrolle der CAD. Da GKS jedoch eine große Bandbreite verschiedener zellulärer Mechanismen beeinflussen, treten insbesondere bei Langzeitanwendung häufig Nebenwirkungen auf, darunter insbesondere Polyurie, Polydipsie, Polyphagie, Muskel- und Hautatrophie, vermehrte Anfälligkeit für bakterielle und mykotische Infektionen, Demodikose und iatrogener Hyperadrenokortizismus (Abbildung 5). Parenterale Darreichungsformen sollten deshalb nicht wiederholt angewendet werden, während kurzzeitwirksame Glukokortikoide insbesondere bei hochgradigen klinischen Symptomen empfohlen werden. Orales Prednisolon (0,5-1,0 mg/kg alle 24 Stunden) oder Methylprednisolon (0,4-0,8 mg/kg alle 24 Stunden) sollte in entsprechenden Fällen je nach therapeutischem Ansprechen des Patienten über eine Behandlungsdauer von 5 bis 14 Tagen appliziert werden. Eine Verteilung der Tagesdosis auf zwei tägliche Gaben kann Polyurie und Polydipsie bei einigen Individuen reduzieren. Mit dem Abklingen der klinischen Symptome kann die Dosierung des GKS langsam reduziert und schließlich ausgeschlichen werden.
Die für CAD-Patienten bevorzugten Darreichungsformen von GKS sind topische Salben, Sprays oder Lotionen. Untersuchungen zufolge zeigen Sprays auf der Basis von Triamcinolonacetonid oder Hydrocortisonaceponat eine hohe Wirksamkeit bei der Kontrolle lokaler Effloreszenzen 13. Diese Produkte sollten zunächst täglich über einen Zeitraum von etwa zwei Wochen angewendet werden, um eine Remission einzuleiten. Die weitere Behandlung individueller Effloreszenzen erfolgt anschließend etwa zweimal pro Woche. Hydrocortisonaceponat kann über eine Hemmung von Kollagen-Typ 1 und Typ 3 Propeptiden potenziell einen geringgradigen Abbau der Haut induzieren, eine Studie zeigte bei CAD-Patienten jedoch keine sichtbare Hautatrophie während einer topischen, intermittierenden (zweimal wöchentlich) Langzeitbehandlung mit diesem Wirkstoff 14. Humanpräparate wie Betamethason- oder Mometasonfuroat-Cremes haben sich in der tierärztlichen Praxis ebenfalls als wirksam erwiesen. Das Ziel einer Erhaltungstherapie mit einem topischen GKS ist die aktive Reduzierung des Risikos für Flare-ups und die Verlängerung der Remissionsdauer im Unterschied zu einer Behandlung nur dann, wenn Effloreszenzen klinisch sichtbar werden 14.
Oclacitinib
Oclacitinib ist ein Januskinase-Inhibitor (JAK-Hemmer). JAKs sind Nichtrezeptor-Tyrosinkinasen, die durch verschiedene Zytokinrezeptoren aktiviert werden. Bei Säugetieren unterscheidet man vier JAK-Familien (JAK1, JAK2, JAK3 und Tyrosinkinase 2), die die Expression zahlreicher inflammatorischer Gene regulieren. Durch selektive Hemmung von JAK1-abhängigen (und in geringem Maße von JAK2- abhängigen) Zytokinen, kann Oclacitinib die Wirkungen proinflammatorischer und proallergischer Zytokine reduzieren und gilt daher als ein Wirkstoff mit einem semi-breiten Wirkungsmechanismus bei CAD.
Aufgrund des schnellen Eintritts der antipruriginösen Wirkung ist Oclacitinib sehr hilfreich für die Behandlung akuter Flare-ups von Juckreiz. Zunächst wird Oclacitinib über einen Zeitraum von 14 Tagen zweimal täglich verabreicht, und anschließend einmal täglich (0,4-0,6 mg/kg). Die zweimal tägliche Dosierung ist insbesondere bei Patienten mit chronischer Dermatitis erforderlich. Als sicher gilt die Langzeitbehandlung der CAD mit Oclacitinib bei Tieren ab einem Alter von 12 Monaten 15. Theoretisch könnte Oclacitinib bei höheren Dosierungen oberhalb der empfohlenen Dosierungsspanne immunsuppressive Wirkungen haben 16, und eine Anwendung des Wirkstoffes bei entsprechend anfälligen Hunden könnte zu opportunistischen Infektionen, viralen Papillomen oder Demodikose führen. In diesen Fällen sollte die Behandlung abgesetzt werden; routinemäßige hämatologische und biochemische Untersuchungen oder eine Harnkultur sind während einer Behandlung mit Oclacitinib im Allgemeinen jedoch nicht erforderlich 17.
Cyclosporin und Tacrolimus
Cyclosporin A ist ein Calcineurin-Inhibitor mit einem spezifischen immunsuppressiven Wirkungsmechanismus. Der Wirkstoff bindet an intrazelluläre Immunophiline mit der Folge einer Hemmung des Zytokins Interleukin-2 (IL-2), was wiederum zu einer Reduzierung der T-Zellproliferation und der Antikörperproduktion durch T-Helferzellen abhängige B-Zellen führt. Cyclosporin hat einen breiten Wirkungsmechanismus, die Dosierung beträgt 5 mg/kg alle 24 Stunden. Die Wirkung tritt jedoch nur langsam ein, und es kann zwischen vier und acht Wochen dauern, bis die klinischen Symptome in Remission sind. Cyclosporin eignet sich daher nur für die Erhaltungstherapie bei CAD. Begleitende Behandlungen mit anderen, schnell wirksamen Arzneimitteln in der Aufladephase sind wirksam und sicher. So kann zum Beispiel über die ersten drei Wochen der Cyclosporintherapie begleitend Prednisolon in einer Dosierung von 1 mg/kg alle 24 Stunden über eine Woche verabreicht werden, gefolgt von einer Dosierung jeden zweiten Tag über zwei weitere Wochen 18.
Ebenfalls gut verträglich ist eine begleitende Gabe von Oclacitinib in einer Dosierung von 0,4-0,6 mg/kg alle 12 Stunden über 14 Tage und anschließend einmal täglich über weitere sieben Tage 17. Sobald ein mit Cyclosporin behandelter atopischer Hund in Remission ist, wird die Dosierung schrittweise reduziert (um etwa 1 mg/kg alle zwei Wochen) oder die Verabreichung erfolgt nur noch jeden zweiten Tag. Ziel ist es, die niedrigste wirksame Dosierung herauszufinden. Selbstlimitierende Nebenwirkungen (z. B. Erbrechen und Diarrhoe) treten bei etwa 30 % aller Patienten auf, vorwiegend innerhalb der ersten Behandlungswoche. Insbesondere bei Hunden mit empfindlichem Magendarmtrakt setzt die Autorin deshalb anfangs oft eine niedrigere Dosierung ein (z. B. 1,5 mg/kg alle 24 Stunden über 3 Tage, gefolgt von 3 mg /kg alle 24 Stunden über weitere 3 Tage). Auch die Gabe zusammen mit Futter kann helfen, gastrointestinale Störungen zu reduzieren. Seltenere, zum Teil dosisabhängige Nebenwirkungen sind eine gingivale Hyperplasie, exzessives Haarwachstum (Abbildung 6), eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber opportunistischen (mykotischen) Infektionen, hyperplastische verruköse Läsionen und eine psoriasiform-lichenoide Dermatitis. Nach dem Absetzen des Arzneimittels gehen diese Nebenwirkungen in der Regel jedoch wieder zurück.
Studien zufolge führt der Calcineurin-Inhibitor Tacrolimus bei topischer Anwendung über mehrere Wochen zu einer Besserung läsionaler Scores 19. Auch wenn Tacrolimus während der ersten Behandlungstage zu Hautreizungen führen kann, scheint die topische Anwendung einer 0,1 %igen Darreichungsform zweimal täglich bei Hunden im Allgemeinen gut verträglich zu sein.
Lokivetmab
Der kaninisierte monoklonale Interleukin-31-Antikörper Lokivetmab hat einen engen Wirkungsmechanismus und ist die spezifischste symptomatische Therapieoption für atopische Hunde mit den wenigsten Nebenwirkungen. Lokivetmab neutralisiert kanines IL-31, ein am Juckreiz beteiligtes Zytokin. Der Wirkungsmechanismus von Lokivetmab unterscheidet sich von dem des Oclacitinib. Lokivetmab bindet IL-31 noch bevor dieses an seinen Rezeptor binden kann, wodurch seine pruriginösen Haupteffekte unterbunden werden. Angewendet wird Lokivetmab in Form monatlicher subkutaner Injektionen in einer Dosierung von 1-2 mg/kg (abhängig von der Zulassung im jeweiligen Land), wobei einige Hunde gut auf die höhere Dosierung ansprechen und eine Remission innerhalb von 4-8 Wochen erreichen. Lokivetmab hat eine sehr lange Halbwertszeit und kann sicher zusammen mit anderen Wirkstoffen zur symptomatischen CAD-Behandlung eingesetzt werden. Untersuchungen zufolge ist Lokivetmab bezüglich der Wirksamkeit bei der Reduzierung von Juckreiz-Scores und Hauteffloreszenzen-Scores nachweislich nicht unterlegen gegenüber einer 28-tägigen Behandlung mit Cyclosporin (breiter Wirkungsmechanismus). Während die initiale Antwort auf Lokivetmab schnell erfolgt (Reduzierung des PVAS-Scores um über 50 % bei 77 % der atopischen Hunde), liegt die Gesamtwirksamkeit nach neunmonatiger Behandlung bei 59 % 20. Nach den Erfahrungen der Autorin hat Lokivetmab nur wenige oder keine Nebenwirkungen und ist hervorragend geeignet für die Behandlung von Hunden mit gering- bis mittelgradigem Juckreiz. Insbesondere einige Patienten mit unzureichender therapeutischer Antwort auf Oclacitinib können auf Lokivetmab gut ansprechen. Weniger wirksam ist Lokivetmab dagegen bei atopischen Hunden mit hochgradigen (chronischen) Effloreszenzen. Obwohl es sich insgesamt um ein schnell wirksames und sicheres Arzneimittel zur Behandlung von Hunden mit CAD handelt, können bei vielen Patientenbesitzern die hohen Kosten einer Anwendung von Lokivetmab als Erhaltungstherapie entgegenstehen.
Allergenspezifische Immuntherapie
Die Beeinflussung der Immunantwort durch eine allergenspezifische Immuntherapie (ASIT) – auch bekannt unter der Bezeichnung Desensibilisierung oder Hyposensibilisierung – ist die einzige krankheitsmodifizierende Therapie, die ein gegenüber Umweltallergenen hyperresponsives Immunsystem auf dem Wege der Induzierung einer immunologischen Toleranz neutralisieren kann. ASIT kann definiert werden als die Praxis einer „schrittweisen Applikation ansteigender Mengen eines Allergenextrakts bei einem allergischen Patienten mit dem Ziel einer Linderung der Symptome bei nachfolgender Exposition gegenüber dem kausalen Allergen“. Der Wirkungsmechanismus umfasst die Induzierung allergenspezifischer regulatorischer T-Zellen und ihres Zytokins IL-10, die Induzierung allergenspezifischer IgG4 und die Reduzierung des Verhältnisses von Th2/Th1-Zytokinen sowie eine Senkung allergenspezifischer IgE-Levels 21.
Die subkutane Immuntherapie (SCIT) ist der Grundpfeiler der ASIT seit den frühen 1980er Jahren. Zwei Formulierungen stehen für Hunde zur Verfügung, eine wässrige und eine Aluminium-basierte Lösung. Wenn die einschlägigen Behandlungsprotokolle korrekt befolgt werden, treten systemische Nebenwirkungen nur selten auf. Bei einzelnen Patienten sind oft individuelle Anpassungen dieser Protokolle erforderlich, um die Wirksamkeit zu verbessern oder während bestimmter Perioden (z. B. bei saisonalen Schwankungen). Wenn ein Patient zum Beispiel eine Woche vor der planmäßigen Verabreichung der nächsten Dosis Flare-ups entwickelt, sollte das Injektionsintervall verkürzt werden, und wenn ein Patient nach jeder Injektion vermehrten Juckreiz zeigt, kann eine niedrigere Dosis erforderlich sein.
In früheren Studien mit atopischen Hunden wurde die Gesamterfolgsrate der SCIT nach 9- bis 12-monatiger Behandlung auf 50-70 % geschätzt 22. Es gab Versuche zur Steigerung der Wirksamkeit und zur Verkürzung der Zeit bis zum Eintritt der Wirkung durch die Anwendung so genannter „Rush“-Protokolle, und Studien mit atopischen Hunden zeigen, dass diese Protokolle eine sichere und effiziente Behandlungsmethode darstellen 23. Die Autorin empfiehlt diesen therapeutischen Ansatz gegenwärtig jedoch nur, wenn er von Spezialisten in Überweisungskliniken durchgeführt werden kann.
Eine Alternative zur SCIT ist die sublinguale Immuntherapie (SLIT), bei der eine Dosis des spezifischen Allergens ein- oder zweimal täglich oral appliziert wird. Die Besitzercompliance ist bei dieser Methode jedoch eine ganz wesentliche Voraussetzung für den Behandlungserfolg, da der Hund über einen Zeitraum von 10 Minuten vor und 10 Minuten nach der Applikation weder fressen noch trinken darf. Die wenigen bislang durchgeführten unkontrollierten offenen Studien zeigen keine konsistenten Evidenzen, die für eine höhere Wirksamkeit der SLIT im Vergleich zur SCIT sprechen würden 24.
Von besonderem Interesse ist die vor kurzem entwickelte neuartige intralymphatische Applikationsmethode (ILIT). Jüngste Studien beschreiben ein schnelleres Einsetzen der klinischen Besserung und eine möglicherweise etwas nachhaltigere Wirksamkeit über die Zeit 25.
Unabhängig von der letztlich angewendeten Applikationsmethode der ASIT sollte vorübergehend eine begleitende symptomatische Therapie zur Kontrolle der Hautentzündung und des Juckreizes durchgeführt werden, um eine gute Lebensqualität aufrechtzuerhalten, bis die Immuntherapie zu wirken beginnt. Da es sich bei der ASIT um eine maßgeschneiderte Behandlung handelt, sind individuelle Anpassungen der Dosierungen und der Intervalle, sowie eine kontinuierliche Kontrolle und Bekämpfung von Flare-ups erforderlich, um die bestmöglichen therapeutischen Ergebnisse zu erzielen.
Schlussfolgerung
Der atopische Hund benötigt ein multimodales Langzeitmanagement, um eine gute Lebensqualität sicherzustellen. Die bestmöglichen Behandlungsergebnisse sind nur dann zu erreichen, wenn die Besitzer atopischer Hunde entsprechend informiert, beraten und geschult werden. Exazerbationen von Juckreiz und Dermatitis durch sekundäre Hautinfektionen sollten konsequent mit Hilfe topischer Behandlungen bekämpft werden, die unter anderem auf eine Reparatur der epidermalen Barriere abzielen. Allgemein gilt, je breiter das Wirkspektrum eines Arzneimittels, desto mehr Nebenwirkungen können auftreten. Kombinationsbehandlungen mit Arzneimitteln wie Glukokortikosteroiden, Cyclosporin und Oclacitinib sollten insbesondere aufgrund des Risikos einer verstärkten Immunsuppression bei Langzeitanwendung nur sparsam eingesetzt werden. Die allergenspezifische Immuntherapie ist die einzige krankheitsmodifizierende Behandlung für die canine atopische Dermatitis und muss individuell auf den einzelnen Patienten zugeschnitten werden.
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